Hamburg, 19. August 2021. Gut zwei Wochen nach dem Insolvenzantrag ist die Situation der Hamburger Werft „Pella Sietas“ weiterhin kritisch. Der vorläufige Insolvenzverwalter, der Hamburger Rechtsanwalt Achim Ahrendt, hat heute Morgen die Mitarbeiter über den Stand der Dinge und die weiteren Schritte informiert.
Die Pella Sietas Werft ist die älteste deutsche Schiffswerft und beschäftigt zurzeit noch rund 220 festangestellte Mitarbeiter. Bis vor wenigen Wochen waren es noch knapp 300 Arbeitnehmer gewesen; allerdings haben unmittelbar nach der Insolvenzantragstellung über 70 davon von sich aus gekündigt, da sie drei Monate lang keine Gehaltszahlungen mehr erhalten hatten.
„Die Lage der Werft ist sehr ernst“, betonte Achim Ahrendt, Partner der bundesweit tätigen Insolvenz- und Sanierungskanzlei hww. „Da der Insolvenzantrag viel zu spät gestellt wurde, weil Management und Gesellschafter auf Corona-Hilfsmittel hofften, stehen uns nun kaum noch Optionen zur Verfügung. Die Kassen sind absolut leer, der Insolvenzgeldzeitraum für viele Mitarbeiter abgelaufen und die Auftraggeber zu Recht verärgert.“ Es komme jetzt darauf an, einen der noch vorhandenen Aufträge zu reaktivieren, so der vorläufige Insolvenzverwalter. Weiter sagte er: „Dies ist die einzige realistische Möglichkeit für eine zumindest teilweise Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes. Neuaufträge sind angesichts der wirtschaftlichen Verfassung der Werft kurzfristig keine realistische Option.“
Die Chancen für die Wiederaufnahme bestehender Aufträge sind begrenzt: Die Werft hatte zuletzt vier Aufträge für Schiffsneubauten in den Büchern, darunter einen Eisbrecher für die russische Muttergesellschaft, eine innovative Fähre für den Bodensee, einen Laderaumsaugbagger für den Bund und eine Hybridfähre für das deutsche Wattenmeer. An keinem der Schiffe ist im letzten halben Jahr ernstlich gearbeitet worden. Einzig bei der Hybridfähre hätten die Arbeiten ganz kurzfristig wieder aufgenommen werden können. Hier hat die Auftrag gebende Reederei allerdings angekündigt, ein vertraglich bestehendes Rücktrittsrecht ausüben zu wollen, weil Pella Sietas den vereinbarten Fertigstellungstermin bei Weitem nicht halten kann.
Ohne eine Anschubfinanzierung, die nur von Auftraggeberseite kommen kann, ist jedoch an eine Fortführung des Geschäftsbetriebes nicht zu denken. Damit besteht die Gefahr, dass z.B. der Laderaumsaugbagger, in den schon über 80 Mio. € investiert wurden, zur Investitionsruine wird.
Parallel hat Achim Ahrendt begonnen, mit Hochdruck nach Investoren zu suchen. Dazu hat der vorläufige Insolvenzverwalter einen sog. strukturierten Investorenprozess angestoßen, bei dem gezielt mögliche Käufer für die insolvente Werft gesucht werden. Bei der Umsetzung des Investorenprozesses ist bereits die internationale Beratungsgesellschaft EY tätig. Zudem haben sich bereits zahlreiche Interessenten aus eigener Initiative bei Ahrendt gemeldet. Bis zu einem Kaufabschluss werden erfahrungsgemäß einige Monate vergehen.
Der Insolvenzgeld-Zeitraum ist für einen Großteil der Mitarbeiter bereits ausgeschöpft. Nur die gewerblichen Arbeitnehmer, die im Mai und Juni 2021 Kurzarbeitergeld erhalten hatten, haben noch bis Ende September 2021 Anspruch auf Insolvenzgeld. Danach muss Pella Sietas die Löhne und Gehälter wieder selbst zahlen. „Ohne frisches Kapital droht deshalb das Ende der Traditionswerft“, so Achim Ahrendt. „Den Preis müssten dann nicht zuletzt die Arbeitnehmer zahlen, die nichts für die Insolvenz können und immer ihr Bestes gegeben haben.“