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Die Echokammern durchbrechen: Ein Plädoyer fürs Zweifeln

Jeder, der hin und wieder mit anderen Leuten spricht oder zumindest Zeitung liest, sollte die Tendenz bemerkt haben, dass sich die Menschen zunehmend in Blasen zurückziehen. Im Komfort dieser Blasen wird ihnen dann fortwährend die eigene Meinung gespiegelt und vor allem bestätigt. Dass diese Tendenz von sozialen Medien weiter gefördert wird, ist ebenfalls kein Geheimnis. Denken Sie beispielsweise an Ihre Haltung bezüglich des Klimawandels – oder gar der Schuldfrage im Nahostkonflikt. Führt Gendern Ihrer Meinung nach zu mehr Emanzipation oder zur Verschleierung wahrer sozialer Missstände? Und wie viele Wochenstunden sollte man überhaupt arbeiten? Bei solch polarisierenden Themen ist es angenehmer, mit Gleichgesinnten zu sprechen, statt die immer gleichen Streitgespräche zu führen, oder? Diese Einstellung ist völlig legitim und keiner sollte zum Streiten gezwungen werden. Umgeben wir uns aber überproportional mit unseren eigenen Ansichten, kann das in der Bildung von Grüppchen mit einseitiger Realitätswahrnehmung resultieren, sogenannte Echokammern.

Durch fehlende Infragestellung der eigenen Meinung avanciert sie zur einzigen Wahrheit im individuellen Kosmos. Dadurch verhärten sich die Fronten innerhalb der Gesellschaft und die Gefahr wächst, dass komplexe Sachverhalte vereinfacht verinnerlicht werden. In der Folge gelingt effektive Kommunikation im Alltag zunehmend schwerer, da wir von derart verschiedenen Standpunkten sprechen. Emotional aufgeheizte Debatten mit festgefahrenen Positionen öffnen Tür und Tor für Verschwörungstheorien und Populismus. Wie können wir also wieder zueinander finden?

Von guter PR-Arbeit kann man sich den ein oder anderen Trick abschauen, wenn es darum geht, Schwarz-Weiß-Diskussionen zu vermeiden. In einer Zeit, in der uns Algorithmen die eigene Weltsicht in die Newsfeeds spülen, Medien mit reißerischen Schlagzeilen punkten und Deepfakes uns an unserem Verstand zweifeln lassen, hält die PR die Flagge der rationalen Diskussionskultur hoch. Zumindest, wenn sie ihre Arbeit ernst nimmt. Denn PR kann dazu beitragen, zur Seite geschobene Fakten und neue Sichtweisen in die Diskussion einzuführen.

Bevor sich jetzt jemand über diese steile These echauffiert, lassen Sie mich kurz erläutern. Beginnen wir ganz von vorn: bei der Sprache. Das Wörtchen rational hat uns das Lateinische vermacht und bedeutet so viel wie von der Vernunft ausgehend, zweckmäßig oder logisch. Wer sich stets darauf besinnt, Diskussionen ausgehend von der Vernunft zu führen, logische Beiträge miteinzubringen und inhaltlich weiterführende, also zweckgemäße, Argumente anzuführen, tut nichts Anderes als diese Diskussionen rational zu gestalten. Rationales Diskutieren bedeutet in diesem Fall, zwei Seiten zu sehen – vielleicht sogar drei, vier oder sieben. Es bedeutet auch, sich nicht zu verlockenden Vereinfachungen hinreißen zu lassen. PR muss – im Idealfall – eine Rückkehr zu rationalen Diskussionen erreichen, damit diese nicht von dogmatischen Haltungen geleitet werden und im Affekt ihre sachliche Grundlage verlieren.

Doch wie erreicht man eine solche rationale Herangehensweise, die in der Theorie so einfach klingt, an der wir in der Praxis aber immer wieder scheitern? Sie gelingt, so erweckt es den Anschein, vor allem denjenigen, die die Wahrheit nicht für sich beanspruchen. Kurz: Wer sich seiner Meinung nicht allzu sicher ist, ist eher fähig, und vor allem gewillt, das Gegenüber zu verstehen. Noch kürzer: Wer zweifelt, kann Diskussionen rationaler führen.

Da all unsere Interaktionen auf Sprache basieren, möchte ich auch das Zweifeln zunächst auf dieser Ebene betrachten. Der Mehrwert des Zweifels ergibt sich nämlich bereits aus seiner Etymologie. Die sprachlichen Bausteine twi (zwei) und falt (Falte), aus denen das althochdeutsche zwival besteht, zeigen die „zweifältige“ oder „gespaltene“ Natur des Zweifels eindeutig. Wer zweifelt, kategorisiert die Welt also nicht in Richtig und Falsch, womit wir bei der Voraussetzung für Perspektivwechsel angelangt sind. Perspektivwechsel können nur gelingen, wenn man der anderen Seite zugesteht, dass sie in gewissen Punkten nicht total danebenliegt. Wer eine einzige Wahrheit anzweifelt, die alle Menschen einzusehen haben, macht einen beträchtlichen Schritt zu auf eine rationale Diskussionskultur. Ausgehend vom Zweifel, über die rationale Diskussionsführung bis hin zum vernünftigen Diskutieren schließt sich hiermit der rhetorische Kreis.

Wenngleich es keine neue Erkenntnis ist, möchte ich an dieser Stelle betonen, dass offene Dialoge tatsächlich Einblicke in zuvor verborgene Interpretationen der Welt eröffnen können. Um das zu erreichen, bedarf es aber einer Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Haltungen und Einstellungen. Da sich die wenigsten mit persönlichen diskursgeschulten PR-Beratern schmücken können, bleibt es im Alltag Aufgabe des Einzelnen, vermeintlich festgefahrene Sichtweisen zu hinterfragen. Andernfalls wird die nötige Bereitschaft, sich die andere Seite unvoreingenommen anzuhören, zur unüberwindbaren Hürde.

Das soll nicht bedeuten, dass alles immer infrage gestellt werden soll; denn wer nur zweifelt, ist unfähig, Entscheidungen zu treffen. Es kann allerdings nicht schaden, persönliche Überzeugungen einmal in den Ring der offenen, rationalen Diskussion zu werfen. Nur so haben wir eine Chance, die Echokammern zu durchbrechen.

Helene Metzner

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