Es läuft eine Video-Konferenz zur Kommunikations-Strategie. Der Geschäftsführer (sonst Anzug und Krawatte) sitzt im College-Sweater vor dem Rechner. Der Vertriebsleiter hat Verbindungsprobleme. Dem PR-Berater klettert mitten im Gespräch ein weinendes Kleinkind auf den Schoß. Die Marketingleiterin bewegt die Lippen, ist aber plötzlich nicht mehr zu hören. Sie hatte auf „stumm“ geschaltet, weil ihr Hund gebellt hat. Und vergessen den Ton wieder anzumachen.
Dennoch rollt niemand genervt die Augen oder trommelt ungeduldig mit den Fingern auf der Tischplatte. Stattdessen: nachsichtiges Lächeln. Und als die Verbindung wieder stabil ist, das Kind beruhigt und der Ton wieder an, verläuft das virtuelle Meeting außerordentlich konstruktiv.
Man begegnet sich anders. Das ist eine wesentliche Erkenntnis aus dem erzwungenen Home-Office. Dass jeder jetzt ein bisschen improvisieren muss und vor neuen (z.T. denselben) Herausforderungen steht, verbindet. Hierarchieunterschiede sind deutlich weniger spürbar, die Haltung sehr konstruktiv.
Bringen Video-Konferenzen also jetzt endlich den „herrschaftsfreien Diskurs“, in dem gleichberechtigte Teilnehmer ohne Einfluss von Machtstrukturen bessere Ergebnisse erzielen? Nein! Bei aller Egalität und Rücksichtnahme der Teilnehmer selbst: Machtstrukturen gibt es natürlich auch im Home-Office. Sie wirken in Gestalt überforderter DSL-Leitungen, streitender Kleinkinder und penetranter Haustiere. Und Diskursqualität ist ihnen vollkommen egal.
Insofern darf es auch gerne bald wieder das Büro sein. Aber wenn wir uns dann noch die konstruktive Haltung bewahren, könnte es klappen.
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