header-img

Jüdische Botschaft

Selbst Kommunikations-Profis sind kommunikativ meist völlig überfordert, wenn sie in eine PR-Krise geraten. Dies zeigte sich einmal mehr am Krisenmanagement von Richard David Precht nach seinen Äußerungen zum orthodoxen Judentum im Podcast mit Markus Lanz.

Die Ausgangslage ist im Grunde immer dieselbe: Eine Person des öffentlichen Lebens gibt eine Anstoß erregende Bemerkung von sich und findet sich plötzlich – ohne dies beabsichtigt zu haben – im medialen Granatenhagel wieder. Wenn diese Person Glück hat, wird dabei zunächst nur die Äußerung kritisiert (hier: „antisemitisch“), und nicht die Person selbst.

Da solche Personen in der Regel mit einem ausgeprägten Ego ausgestattet sind, versuchen sie zunächst, ihre Äußerung zu relativieren („missverständlich“, oder ähnliches), um eine Entschuldigung zu vermeiden. So geschehen auch in diesem Fall: Precht äußerte, die Äußerung sei nicht so gemeint gewesen und er bedauere, dass seine Äußerung zu Kritik geführt habe. Was er damit sagen wollte, liegt auf der Hand: „Ich nehme die Äußerung nicht zurück und entschuldige mich auch nicht“ („bedauern“ ist keine Entschuldigung). Stattdessen wies er auf diesem Wege die Kritik von sich: „Die anderen sind schuld, sie haben mich missverstanden, denn ich habe es nicht so gemeint.“ Precht ist Philosoph, Dialektik ist ihm vertraut. Aber bringen wir es auf den Punkt: Schlechter kann man es kaum machen.

Wie nicht anders zu erwarten, zündete sogleich Stufe 2 der Eskalationsspirale, die in solchen Fällen rotiert. Die Kritik richtete sich nun gegen Precht persönlich: Er sei ein „Schwätzer“ (FAZ), ihm wurde Antisemitismus als Geisteshaltung vorgeworfen. Außerdem ergriffen alle, die Precht schon immer doof fanden, die sich bietende Chance und stimmten in den gemischten Chor mit ein. Precht sah sich nun gezwungen, nachzulegen. Er entschuldigte sich bei allen, die in seinen Äußerungen „etwas Antisemitisches gesehen haben“. Nun ja, dies klang immerhin nach einer Entschuldigung, aber wieder zeigte er mit dem Finger auf andere. Denn was er damit eigentlich sagte, war: „Meine Äußerungen sind nur dann antisemitisch, wenn man diese derart interpretiert.“ Damit versuchte er, seine Entschuldigung am Kern der Kritik vorbei zu mogeln: seiner ursprünglichen Aussage, dass orthodoxe Juden nicht arbeiten bzw. nur im Diamantenhandel oder im Zinsgeschäft tätig sind – was nicht nur einen eklatanten Mangel an Allgemeinbildung, sondern eben auch bestehende Ressentiments offenlegt (was nicht unbedingt mit Antisemitismus gleichzusetzen ist). Den Sachverhalt habe er „falsch und schief“ dargestellt.

Woher diese Ressentiments stammen, versuchte er anschließend u.a. mit der albernen Aussage zu erklären, dass er in Antwerpen einmal Diamanten handelnde Juden gesehen habe. Was er sonst noch von sich gab, wies – bestenfalls – kabarettistischen Charakter auf: Er sagte doch tatsächlich, die Shoa (also die bestialische Ermordung von 6 Millionen Juden) sei ihm schon immer „ein Herzensanliegen“ gewesen. Auch habe er schon im Alter von zwölf jüdische Schriftsteller gelesen. Und unter den Philosophen, mit denen er sich wissenschaftlich befasst habe, seien auch jüdische gewesen. Mein Favorit ist allerdings seine Erwähnung der „jüdischen Botschaft“ (gemeint war wohl die israelische).

Wer bisher nur ahnte, dass sich bei Precht zahlreiche Stereotype über Juden und das Judentum manifestiert haben, dem wuchs dies nun zur Gewissheit. Ob es sich dabei um Antisemitismus handelt oder nicht, mag ich nicht zu beurteilen. Ignoranz macht noch keinen Antisemiten (aber sie schließt ihn auch nicht aus).

Kehren wir zu meiner Eingangsbemerkung zurück: Wie hätte im Falle Precht gutes Krisenmanagement ausgesehen? Den Anfang macht immer eine unvoreingenommene Analyse, um die Tatsachen herauszuschälen (sofern man sich überhaupt der Kritik entledigen will, sondern sie im Gegenteil bewusst hervorrief). Diese Analyse besteht – grob gesagt – aus drei einfachen Fragen: War es faktisch falsch, was ich gesagt habe? Wenn ja, inwiefern sind die Vorwürfe meiner Kritiker objektiv nachzuvollziehen? Und: Wird diese Kritik von anderen wesentlichen Multiplikatoren geteilt?

Lautet die Antwort auf alle drei Fragen „ja“, habe ich eigentlich nur eine Option. Ich muss mich entschuldigen – und zwar ganz unabhängig davon, ob ich die Meinung meiner Kritiker teile oder nicht. Das ist ein wesentlicher Punkt. Wir sind alle nur Menschen. Wenn wir angegriffen werden, liegt es in unserer Natur, uns zu verteidigen. Wenn ich aber verteidige, was nun einmal faktisch falsch ist, lässt meine Verteidigung die Kritik nicht verstummen. Im Gegenteil wird dies die Wucht der Kritik nur noch steigern. Das sollte jedem einleuchten. Anders gesagt: Wenn ich will, dass die Kritik aufhört, muss ich meine Kritiker ernst nehmen. Entscheidend ist nicht, was ich über etwas denke, sondern das Empfinden der Kritiker. Sie entscheiden über den Tenor des medialen Echos, während ich die Rolle des „Täters“ einnehme. Und je mehr ich auf meinen Äußerungen beharre, desto größer ist mein Image-Schaden. Ob mir das gefällt oder nicht, so ist es nun einmal.

Wie hätte also eine wirksame Krisenkommunikation von Richard David Precht aussehen können? Den Anfang hätte das folgende Statement machen können:

  • „Ich entschuldige mich in aller Form bei allen, die ich mit meinen Aussagen verletzt habe.“ (= die Verletzung als Tatsache anerkennen, anstatt den Kritikern eine verzerrte Wahrnehmung vorzuwerfen.)
  • „Meine Aussagen entsprangen einem Mangel an Wissen über das Judentum. Ich habe nach der Kritik an meinen Äußerungen viel Zeit damit verbracht, mir die tatsächlichen Zusammenhänge anzulesen. Und je mehr ich las, umso deutlicher wurde mir, wie sachlich falsch meine Äußerungen waren.“ (= Unwissen zugeben und Läuterung zeigen.)
  • „Ich möchte jedoch gleichzeitig betonen, dass mir jede Form von Antisemitismus – wie auch jede andere Form von Rassismus – völlig fremd ist. Wer mich kennt, weiß das. Für mich waren meine falschen Aussagen aber auch eine wichtige Lehre: dass auch ich Stereotypen aufsitzen kann, die nicht selten von Antisemiten und Rassisten in die Welt gesetzt wurden.“ (= Distanzierung vom Hauptvorwurf des Antisemitismus, was aber nur dann glaubwürdig sein kann, wenn er zuvor eine glaubwürdige Entschuldigung abgegeben hat.)

Ob weitere Maßnahmen angezeigt sind, hängt vom Einzelfall ab. Precht könnte einem Leitmedium ein ergänzendes Interview geben. Oder Markus Lanz lädt einen Kenner des Judentums in den Podcast ein, um die Spielarten des Antisemitismus in Deutschland zu thematisieren. Mögliche Gäste wären bspw. ein renommierter Judaist oder ein Schriftsteller mit jüdischem Hintergrund, wie etwa Maxim Biller. Keinesfalls sollte man jedoch eine PR-Show daraus machen. Ein Fototermin in einer Synagoge (Kippa inkl.) – um ein naheliegendes Beispiel zu nennen – würde nur lächerlich wirken.

Natürlich sind die vorgeschlagenen Statements für einen selbstüberzeugten Menschen starker Tobak. Niemand wirft sich gern öffentlich in den Staub. Aber in solchen Krisen hat die öffentliche Wirkung Vorrang: Wer sich aufrichtig entschuldigt, zeigt Größe und wirkt menschlich. Versucht man stattdessen, anstößige Aussagen zu verteidigen oder sich mit halbherzigem Bedauern aus der Affäre zu ziehen, nimmt das persönliche Image in einem Ausmaß Schaden, der lange fortwirkt.

Dieses Prinzip wird umso deutlicher, wenn man es auf die Mechanismen in einer Ehe überträgt (in der Krisen-PR oft ein hilfreicher Vergleich): Wenn ein Partner hanebüchene, verletzende Äußerungen von sich gibt und der andere Partner sich entsprechend getroffen zeigt, wird ein Beharren auf der eigenen Meinung die Verletzung des Partners noch vertiefen. Springt dann der Verursacher nicht über seinen eigenen Schatten, wird die Situation weiter eskalieren und die Beziehung insgesamt Schaden nehmen. Da helfen auch keine Diamanten mehr.

Christoph Möller
Christoph Möller

SPRECHEN SIE MIT UNS.

Über dieses Formular können Sie Kontakt mit uns aufnehmen.

Oder Sie schreiben eine Email an info@moeller-pr.de.

Sie erhalten umgehend Antwort.